Die Kraft der Stille

Es ist ein Segen und gleichzeitig eine Krankheit unserer Zeit. Das Smartphone.

Jeder von uns hat praktisch das gesammelte Wissen unserer Spezies in der Hosentasche. Man kann sofort auf fast alles an Informationen zu fast jedem Thema in Sekunden zugreifen. Musik, Videos, Texte und Unterhaltung ist sofort verfügbar. Unterhaltung und Kunst sind mittlerweile zur Nebenbeiberieselung verkommen, weil überall verfügbar. Soziale Kontakte sind über jede Entfernung sofort herstellbar. Es ist ein Geschenk und ein Sprung in der Entwicklung des Menschen. Aber ist es das wirklich?

Wer nutzt denn das Handy wirklich zum Abrufen von Wissen? Kaum jemand. Fast alle sind nur mit sozialen Netzwerken, Spielen und Entertainment beschäftigt. Selbst wenn Menschen beieinander sitzen, starren sie auf ihre Displays. Sie sitzen in Cafes und Bars, keiner spricht und alle starren aufs Handy. Jede freie Minute nutzt man um das Handy zu nutzen. Momente der Muße und der Ruhe- Fehlanzeige. Wenn man früher auf Bus oder Bahn gewartet hat, nutzte man die Zeit um zu beobachten oder Gespräche zu führen. Und heute? Handy. 

Kam man früher zu einem Unfall, stiegen Leute aus dem Auto um zu helfen. Heute filmt man das Ganze und postet es. Ob da jemand gerade Schmerzen erleidet, stirbt oder Hilfe braucht spielt keine Rolle mehr. Das Handy verbindet nicht mehr, es lässt die Menschen vereinsamen. Die scheinbare Nähe der Kommunikation ist ein Trugbild. Wir vereinsamen und erfrieren nebeneinander. Gleichzeitig stumpfen wir ab, da wir täglich in Spielen, Bildern und Filmchen unglaubliche Grausamkeiten erleben- ohne sie wirklich noch wahrzunehmen.

Soll das der Anfang der Zukunft sein? Soziale Kälte, Abstand zu anderen Menschen und das Versinken in Virtualität, weil die Realität nicht bunt und interessant genug ist?

Auch die Kreativität verlagert sich immer weiter ins Digitale. Das bietet natürlich ungeahnte Möglichkeiten, limitiert aber auch. Jeder kann nur soweit gehen, wie die die Soft-und Hardware es erlaubt, die man sich leisten kann. 

Und was passiert, wenn eines Tages das Internet plötzlich versagt, weil es einem globalen Terroranschlag zum Opfer fällt? Nichts ist unmöglich… Alle hochtechnischen Völker werden zeitnah untergehen, weil sie abhängig vom Internet sind. Und weil die Menschen sich in der realen Umwelt nicht mehr selbst helfen können- weil sie es verlernt haben…

Was wir aber alle zuerst aus unserem Leben verbannt haben ist: Stille.

Ununterbrochen ist ein Display an, dudelt Musik oder ein Spiel. Es gibt keine Ruhe und Muße mehr. Die Gedanken kreiseln ständig um etwas, wichtig oder unwichtig. Keiner hat Zeit um die Seele einfach mal „baumeln“ zu lassen. In jeder noch so kleinen Pause wird sofort das Smartphone gezückt.

Dabei sind gerade diese kleinen Pausen so wichtig. In dieser Zeit verarbeitet unser Hirn die Eindrücke und Erfahrungen des Tages, schafft Lernfortschritt und Erinnerung. Es ist keine vergeudete Zeit. Im Gegenteil. 

Geben wir uns die Pausen nicht, staut sich im Hirn die Reizflut und kann nicht bearbeitet und bewertet werden. Im Computerchargon heisst das „Buffer Overflow“. Die Auswirkungen sind bei Menschen und Computern gleich: Absturz und Fehlfunktionen. Burnout und geistige Erschöpfung kommen nicht nur von unpassenden Jobanforderungen oder Überlastung. Wir überlasten uns selbst, und das ständig und völlig freiwillig! Wir fliehen aus der Wirklichkeit des Lebens in die virtuellen Welten. Weil wir die Wirklichkeit nicht mehr ertragen? 

Stille ist die Medizin dagegen. Stille war früher allgegenwärtig. Doch je mehr Technik uns umgab, desto rarer wurde die Stille. Heute ist sie Mangelware und sogar Luxusgut, das von Wellneshotels und geschäftstüchtigen Klöstern teuer vermarktet wird.

Und wir sind selbst schuld daran. Wir legen die Prioritäten unseres Lebens selbst fest. Wir bestimmen, ob wir uns dem Smartphonezwang und der Hektik hingeben wollen. 


„Wenn man seine Ruhe nicht in sich findet, ist es zwecklos, sie andernorts zu suchen.“    Francois de La Rochefoucault

Das Zitat sagt eigentlich alles aus. Nichts gibt uns mehr als Stille. Die wichtigen Dinge geschehen immer in Stille. Nur in der Stille können wir in Ruhe denken, erfinden und kreativ sein. Nur ohne Ablenkung kann man lernen und fokussiert sein. Nur in Ruhe können wir heilen und von Krankheiten genesen.

Doch wo findet man Stille? Man muss dafür nicht in ein Kloster reisen. Man braucht auch keine Insel dafür. Die echte Stille finden wir nur in uns selbst. 

Wahre Stille kommt nie von außen. Sie entsteht in uns. Selbst im leisesten Raum (und gerade dort) kann man rastlos sein und die inneren Stimmen sind um so lauter.

Um wahre Stille zu erfahren, bedarf es Training. Früher konnten das die Menschen auch ohne Training. Das haben wir heute verlernt. Unsere hektische und ruhelose Zeit hat es uns „aberzogen“.

Doch es ist nicht so schwierig. Durch Meditation kann man lernen, seinen Lärm im Inneren zu reduzieren und den Lärm im Außen zu tolerieren. Mit ein wenig Willen, Disziplin und Geduld schafft jeder, seine eigene Stille zu erfahren. 

Stille ist eine Quelle von psychischer Kraft und Stärke. Sie versiegt nie und ist immer und überall zu erreichen. Die Stille schafft in uns den Raum für Gedanken, Ideen und Gefühle. Sie erzeugt eine Kreativität in uns, die kein Computer, Tablet oder Smartphone erreichen kann. Denn das alles sind nur Werkzeuge, nicht die Quelle. Das vergessen die Meisten und auch die Industrie suggeriert uns genau das Gegenteil.

Die Quelle sind wir. Wir haben Ideen, Gefühle und Träume. Das kann uns keine Technik geben. 

Stille ist der Zugang dazu. Sie öffnet die Tore zur Seele. Sie macht die Träume und Ideen erst möglich. Sie gibt uns den Raum, um uns zu entfalten.

Stille ist kostbar. Niemand sollte seine innere Kraftquelle versiegen lassen. Krankheit und Leid ist dann die Folge. Ohne Energiequelle verkümmern wir zu leeren Hüllen ohne Seele, zu lebenden Toten und reinen Konsumenten. Zu  Produkten und Nummern.

Nähren wir lieber unsere Seele an der einzigen Kraftquelle, die wir immer bei uns haben. Stille macht uns stark und gesund. Sie macht uns zu dem was wir sind. Wahre Stärke kommt von innen, heißt es. Sie kommt direkt aus unserer Quelle.

Wer regelmässig meditiert, wird stark und genießt die Stille in sich. Wer noch nicht meditiert, sollte damit anfangen. Das Außen abschalten, das Innen wieder zulassen. Stress, Hektik und all die anderen Probleme unserer Zeit sind Probleme im Außen. Konzentrieren wir uns wieder auf das Innen. Auf die Stille in uns. Auf die Weisheit des Selbst. Auf den Kraftquell der immer da ist und nichts kostet. Auf unsere kleine, ruhige Insel im stürmischen Meer des Lebens.

Dazu lade ich euch ein. Öffnet euch für euch selbst und die Stille. Sie ist eine warme, weiche Decke in der sozialen Kälte unserer Zeit. Die Stille ist sicher und friedlich, und immer für euch da.

Ich wünsche euch eine stille und friedliche Zeit.

Happy Meditations!

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